Tibetische Kinderdörfer (TCVs = Tibetan Children Villages) in Indien
– Ernährungsschulungen in 8 Kinderdörfern mit ca. 7’500 Kindern –

Die Kinder in der Schule

 

Geschichtlicher Hintergrund der tibetischen Kinderdörfer

1959 floh SH der Dalai Lama (und mit ihm ca. 150,000 Tibeter) vor der chinesischen Besatzung und deren Angriff in Lhasa nach Indien. Damals wurden 84,000 Menschen ermordet. Ein Jahr später, 1960, hat er das erste Kinderdorf im indischen Dharamsala gegründet, wo er nach seiner Flucht aus Tibet von der indischen Regierung einen Aufenthaltsort bekam. SH der Dalai Lama sah diese Notwendigkeit, nachdem ihm immer mehr Flüchtlinge aus Tibet folgten, bei welchen natürlich auch Kinder waren. Aber – und das war das Ausschlaggebende – es kamen auch viele Kinder alleine, entweder hatten sie ihre Eltern unterwegs verloren, oder sie waren in Lhasa beim Angriff der Chinesen gestorben. Später wurden sie von ihren Eltern aus Tibet geschickt, damit sie im buddhistischen Glauben und mit der tibetischen Sprache und Tradition aufwachsen konnten. Diese Fluchtwelle dauerte bis zum Jahr 2008 unvermindert an. Nach den erneuten tibetischen Aufständen 2008 am Rande der olympischen Spiele in Peking wurden die Grenzen so scharf bewacht, dass nur noch wenige Kinder kamen und heute noch kommen. Mittlerweile rekrutieren sich die Kinder in den tibetischen Kinderdörfern eher aus der inzwischen zweiten oder sogar dritten Generation von Tibetern in Indien.

Warum das so ist? Nun, Indien hat den Tibetern zwar Zuflucht und Aufenthaltsberechtigung gegeben, sowie dem Dalai Lama im «Upper Dharamsala» (McLeod Ganj) für damalige Verhältnisse genügend Platz für sich und seine Landsleute, aber – für heutige Verhältnisse mit 6,000 Einwohnern und keiner Berechtigung, neues Land zu kaufen (ausser SHDL) wird es immer beengter. Nachdem die Tibeter in Indien keinen Pass erhalten, ist das Reisen für sie sehr schwierig. Sie müssen jedes Mal eine spezielle Reiseberechtigung beantragen und auch die Niederlassung in freien Berufen und Gründung eigener Unternehmen ist extrem schwierig. Nicht wenige der heutigen Tibeter in Dharamsala, aber vor allem auch im übrigen Indien, leben an der Armutsgrenze. So sind sie froh, wenn sie ihre Kinder kostenlos in ein TCV schicken können, wo sie neben einer guten Schulbildung im tibetischen Glauben und mit genügender Ernährung aufwachsen können.

Daneben nehmen die TCVs heute immer öfter Kinder aus abgelegenen indischen Bergdörfern im Himal Pradesh Gebiet auf, so dass manche Kinderdörfer im Norden bereits bis zu 25% arme indische Kinder beherbergen. Es ist ein gegenseitiges «Geben und Nehmen»: Auch die indischen Kinder wachsen in der tibetischen Kultur und Glauben auf, und umgekehrt erhalten sie eine gute Schulbildung und ein zuhause mit genügend Verpflegung und Versorgung.

Die ersten Präsidentinnen aller TCVs waren immer Schwestern des Dalai Lama, erst seine ältere Schwester und dann seine jüngere Schwester Kasur Jetsun Pema-la, von allen nur AMALA (= tibetisches Wort für Mutter), genannt. Sie hat ihr ganzes Leben den tibetischen Kinderdörfern in Indien gewidmet und war bis vor einigen Jahren noch die Präsidentin. Nach ihrer Abdankung wurde als Präsident Thupten Dorjee-la bestimmt, das erste Mal, dass kein Familienmitglied SH des Dalai Lama die TCVs präsidiert. Thupten Dorjee führte das Amt mit grossem Engagement zwischen 2017 und April 2022, also genau die Zeit, wo wir die Ernährungsschulungen begonnen hatten. Seit April 2022 übernahm ein neuer Präsident, Sonam Sichoe-la, der zuvor Direktor des TCV Suja gewesen war. Mit ihm geht die gute Tradition der Kinderdörfer wiederum in kompetente und erfahrene Hände.

In den „besten“ Zeiten lebten bis zu 15,000 Kinder & Jugendliche in den 8 tibetischen Kinderdörfern in Indien, inklusive einem Kinderdorf in Ladakh, das heute auch zu Indien gehört. Heute leben dort immerhin noch etwa 7’500 Kinder & Jugendliche zwischen 3-5 und 16 (je nach Schule auch 18) Jahren.

Die Kinderdörfer sind wie ein SOS-Kinderdorf oder auch Pestalozzi-Kinderdorf (in der Schweiz) organisiert und haben mit den SOS-Kinderdörfern auch eine enge Partnerschaft. Jede Hausmutter betreut zwischen 25 und 45 Kinder, je nach örtlicher Gegebenheit. Der Lebensmittel-Einkauf wird zwar zentral gemacht, doch gekocht wird in den meisten Kinderdörfern in jedem Haushalt selbst. Nachdem die Mittel  sehr beschränkt sind, gibt es auch im Jahr 2020/21 noch immer keine Kühlschränke in den einzelnen Häusern! So ist es nicht leicht für die Hausmütter, unter den gegebenen Umständen 3 nahrhafte und ausgewogene Mahlzeiten für die Kinder zuzubereiten.

   

 

Hintergrund und Beginn der Ernährungsschulungen

2016 habe ich (promovierte Ernährungswissenschaftlerin und mittlerweile Präsidentin des Stiftungsrates) anhand von verschiedenen Wochenplänen eine Ernährungsanalyse gemacht und festgestellt, dass die Kinder zwar kalorisch (Energie-mässig) genügend und auch insgesamt recht ausgewogen ernährt werden, aber – aufgrund mangelnder finanzieller Mittel – zu wenig Kalzium (nur 50% des Tagesbedarfes!) bekommen und beim Eiweiss stark an der Untergrenze sind. Auch einige B-Vitamine waren zu wenig oder sehr an der Untergrenze und die Mädchen erhielten zu wenig Eisen, sobald sie in die Pubertät kommen. Beim Vitamin A respektive den Beta-Carotinoiden war ich mir nicht sicher, da ich keine genauen Zufuhrmengen beim Gemüse erhalten konnte. Ich habe aber vermutet, dass sich die Zufuhrmengen auch hier an der Untergrenze bewegten.

Mein Ergebnis und Schlussfolgerung war, dass die Ernährung optimiert werden könnte, wenn die Kinder genügend Milch, Eier und vor allem quantitativ mehr Gemüse bekämen. Aber – auch die Zubereitungsarten könnten zur besseren Werterhaltung von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen optimiert werden. Und beim Eiweiss kann man „intelligente“ Kombinatinen verschiedener Eiweissarten finden (z. B. Reis und Linsen, was ja sehr typisch für die vegetarische Ernährung in Indien ist und sogenanntes Dal Bhat heisst), die in Summe eine höhere biologische Wertigkeit haben als alleine für sich (sozusagen 1+1 = 3)

(vertiefende Informationen finden sich auf der Zusatzseite…).

So haben wir bereits 2016 (also 1 Jahr VOR der Stiftungsgründung) mit dem Präsidenten aller 8 Kinderdörfer, Thupten Dorjee-la, 2 Stossrichtungen beschlossen, um die Situation zu verbessern:

1.) Pilot-Projekt „Kuhmilch“ im Kinderdorf TCV Chauntra.

Weitere Einzelheiten finden sich unter Projekten bei  „Snowland Farm TCV Chauntra“

2.) Parallel dazu wollten wir (zunächst) die Hausmütter in Ernährung schulen, so dass sie besser in der Lage wären, eine ausgewogene aber auch nährwerterhaltende Ernährung in der Küche für die Ihnen anvertrauten Kinder zu garantieren.

Ich habe mich als promovierte Ernährungswissenschaftlerin bereit erklärt, zunächst einmal innerhalb von 2 Jahren ab 2017 alle 8 Kinderdörfer jeweils eine Woche zu besuchen und in dieser Zeit ausführliche Ernährungsschulungen mit den Hausmüttern als Projektwoche zu organisieren.

Mittlerweile (2021) habe ich diese 2 Jahre (2017 und 2018) „absolviert“. Dazu habe ich ein Begleitbuch mit allen Bildvorlagen zusammengestellt, das mittlerweile bereits in die 4. Auflage gegangen ist. Seit 2019 haben wir für alle Hausmütter sogenannte „Refresher-Kurse“ von 2-3 Tagen durchgeführt.

Zusätzlich haben wir schon 2018 begonnen, im ITI (Indian Technology Institute) Selakui, einem von Indien zertifiziertem tibetischen Lehrlingsausbildungsinstitut, jeweils eine Schulungswoche in Ernährung pro Jahr anzubieten. Dort werden v.a. folgende Lehrlings-Ausbildungen einbezogen: Köche, Service (F&B-Manager), Bäcker und Konditor. Es sind jeweils zwischen 70 bis 100 junge Leute zwischen 18 und 25 Jahren.

Weiterhin haben wir 2019 angefangen, diese Wochen-Block-Kurse auch mit den älteren Schülern der 10. – 12. Klasse (je nach TCV-Situation) anzubieten. 2020 wären diese Schulungen das erste Mal in allen 8 TCVs durchgeführt worden. Aber – leider hat uns Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht und alle Kurse mussten sowohl 2020 als auch 2021 ausfallen (siehe unten „Corona-Zeiten“ in den TCVs.

In der Zukunft ist noch immer vorgesehen, vor allem die ITI-Kurse und die Schüler-Kurse durchzuführen. Bei beiden Gruppen von jungen Menschen ist das Angebot auf grosses Interesse gestossen.

Mehr Hintergrund-Informationen und Einzelheiten finden sich unter:

Zusatz-Informationen zu den Ernährungsschulungen

Sponsoring der Schulungen

Bereits seit August 2017 werden die Reisekosten und der Druck der Schulungsunterlagen freundlicherweise von der „International Campaign for Tibet, Deutschland“ übernommen, die damit einen wichtigen Beitrag zur gesunden Ernährung der TCV-Kinder leistet.

Den Freiraum im „Corona-Jahr 2020“ haben wir zudem genutzt, eine „Tibetische Nahrungsmittel-Pyramide“ zu schaffen, die es bisher noch nicht gab.  Auch hier wurden wir von der ICT unterstützt. Ohne diese kontinuierliche Hilfe wäre es nicht möglich, die ganze Aktion „Ernährungsschulungen“ auf Dauer aufrecht zu erhalten
www.savetibet.de

 

                  

Am Anfang war das Schulungsbuch noch schwarz-weiss, dank der ICT-Unterstützung konnten wir es dann in Farbe drucken, was sehr stark zum besseren Verständnis beiträgt!

 

     

 

Die TCVs in den Corona-Jahren 2020 und 2021

Das Jahr 2020 sollte für die 8 grossen tibetischen Kinderdörfer in Indien (es gibt noch etliche kleinere Einrichtungen dort) ein Jubiläumsjahr in zweierlei Hinsichtwerden: Es sollte das 60ste Gründungsjahr gefeiert werden, wobei es eigentlich eher eine Trauerfeier als eine Glücksfeier gewesen wäre.
Schliesslich sind die Kinderdörfer in Folge der Flucht der vielen Tibeter aus Tibet und vor allem Lhasa gegründet worden (siehe 1. Kapitel).

Das zweite grosse Jubiläum 2020 wäre der 80. Geburtstag der jüngsten Schwester SH des Dalai Lama, Kasur Jetsun Pema-la, von allen nur AMALA (tibetisches Wort für Mutter) genannt, gewesen. Sie hat ihr ganzes Leben den tibetischen Kinderdörfern in Indien gewidmet und war bis vor einigen Jahren noch die Präsidentin.

Im Oktober 2020 hätte zu ihrem Ehren und zur gleichzeitigen 60-Jahres-Feier der TCV’s in Dharamsala ein grosses heiliges Fest gefeiert werden sollen (Ten-Shuk = Long Life Prayer Offering).

Nun ist das Fest um ein Jahr verschoben worden, auf den Oktober 2021, aber auch dieses Datum ist bis heute (Mai 2021) nicht sicher, da es eine grosse zweite Infektionswelle in Indien gibt, deren Ende man nicht voraussagen kann!

 

Die Situation der 8 TCVs in den Corona-Jahren 2020 / 2021 (Status Mai 2021)

Situation 2020:

Die Winterferien 2020 wären am 1. März 2020 zu Ende gewesen und die Kinder & Jugendlichen („Kids“) wären aus allen Teilen Indiens und Nepal in ihre jeweiligen TCVs zurückgekehrt. Mit der offiziellen Schliessung der Schulen durch die indische Regierung wurde dann für die TCVs beschlossen, die Kids NICHT zurückzuholen. Das war zwar nachvollziehbar, aber für die Kids nicht so gut, da sie irgendwo in Indien und/oder Nepal unter zumeist schlechten Bedingungen festsassen.

Man hat dann versucht (wieder unter der Feder-Führung des TCV Chauntra, wo auch die Snowland Farm steht),  mit dem speziellen virtuellen Schulprogramm Google-Programm „Lotus“ virtuellen Unterricht durchzuführen, soweit die Kids einen PC und vor allem Internet-Zugang hatten. Zum Glück scheint das im IT-Land Indien einfacher gewesen zu sein als in einigen Ländern in Europa, beispielsweise Deutschland…

Das offizielle Schreiben des Präsidenten vom 21. April 2020 informierte dann, dass „nur“ noch ca. 900 Kids insgesamt in den 8 Kinderdörfern verblieben sind (zu grosse Entfernung zum heimschicken oder keine Angehörigen vorhanden). Die nächste Information im Mai hielt fest, dass laut CTA (Tibetische Exilregierung in Dharamsala) alle TCVs bis mindestens Ende Juni geschlossen blieben.

Bereits damals wurde dann auch informiert, dass die beiden Doppelfeierlichkeiten (siehe oben) um ein Jahr auf den Oktober 2021 verschoben würden.

Nun, wie wir heute wissen, ging das für den Rest des Jahres so weiter. Am 27. Juli informierte der Präsident erneut, dass ALLE Kinder, Hausmütter und Mitarbeiter sicher und gesund seien. Bereits damals hat man angefangen, auf jedem Campus eine grosse Quarantäne-Station einzurichten für den Fall, wenn die Kids zurückkommen könnten.

Im September erfolgte erneut eine offizielle Information mit der guten Nachricht, dass die Angehörigen der TCV-Kinder einen monatlichen Zuschuss erhielten, damit sie die Lebenskosten für die Kinder besser tragen könnten. Weiterhin wurde informiert, dass die besonders wichtigen Schüler der 10. – 12. Klasse eine besonders intensive Betreuung durch Internet-Learning erhielten. Die Prüfungen waren von der indischen Regierung auf Frühjahr 2021 verlegt worden, sodass hier genügend Luft blieb, um die älteren Schüler gut vorzubereiten.

Eine traurige Mitteilung war, dass im Altersheim in Choglamsar (Ladakh) von den 67 älteren Menschen zwischen 65 und 90 insgesamt 6 an Corona verstorben waren.

Die letzte offizielle Information erreichte uns am 19. Oktober 2020: Es war beschlossen worden, die älteren Schüler der 10. – 12. Klasse zurückzuholen, damit sie sich auf ihre Examen im März 2021 vorbereiten können. Nach Eintreffen auf den jeweiligen Campi mussten die Schüler in eine 2-wöchige Quarantäne in dem speziellen Quarantäne-Haus auf dem Campus und konnten dann in ihre jeweiligen Hostels zurückkehren (Mit der 10. Klasse verlassen die Kids normalerweise ihre „Häuser“-Gemeinschaft und siedeln in sogenannte Hostels über, wo sie in der Gemeinschaft Gleichaltriger besser lernen können und in 2-6-Bett-Zimmern mehr Ruhe und Privat-Späre als vorher geniessen.

Zwar wurden die Schulen in Indien mit Oktober wiederum offiziell geschlossen und die älteren Kids konnten nicht in den „Physischen“ Unterricht, obschon sie auf dem Campus waren. Die Lehrer haben sich aber sehr bemüht, mit Hilfe des Google-Loter-Programmes weiterhin vituelle Internet-Klassen zu geben, aber auch durch persönliche Besuche in den Hostels, wo sie dann so doch direkten 1:1-Unterricht geben konnten.

Das Jahr 2021 beginnt:

Am 26. Februar informiert der Präsident aller TCVs, dass die „Rückholung aller Kids“ beschlossen wurde: Sie sollten im März in 2 „Schüben“ zurückkommen, dann jeweils 2 Wochen in das Quarantäne-Haus gehen und anschliessend in ihre eigenen Häuser zu der Hausmutter und den „Geschwistern“ zurückkehren. Und – das Ganze konnte VOR der zweiten grossen Corona-Welle in Indien tatsächlich realisiert werden, sodass ALLE Kids in ihren jeweiligen TCVs zurück waren, als der nächste Lockdown in Indien ausgerufen wurde.

Mai 2021
Die gute und wunderbare Situation ist heute, dass ALLE Kinder sicher und gegen die Aussenwelt abgeschlossen in ihren TCVs untergebracht sind. ALLE TCVs sind mit einer hohen Mauer umgeben und haben nur EINEN EINZIGEN Eingang. Diesen kann man leicht kontrollieren und nur geimpfte oder PCR-Test-negative Personen haben Zutritt zum Campus!

Für die Rückkehr benötigten ALLE Schüler:
– eine Einverständnis-Erklärung der Eltern oder Verwandten, wo sie gewohnt hatten
– einen negativen PCR-Test
– ab der 9. Klasse sind Mobilies, Tabletts und Laptops erwünscht, um dem virtuellen Unterricht folgen zu können

                

Einige TCV Impressionen

Hausmütter im TCV Bylakuppe
Die meisten Hausmütter haben einen organischen Gemüsegarten, um die Kost ein wenig aufzubessern
Mrs Sharling (Direktorin des Mütter-Trainingscenters)
Bei schönem Wetter wird das Mittagessen auch schon mal nach draussen verlegt! Picknickzeit im TCV Chauntra!
Die Kinder in der Schule
Hausmütter im Gemüsegarten
Die Kinder in der Schule
Normalerweise wird gemeinsam im Haus gegessen, wie hier im TCV Suja